RESEARCH – vom Suchen und Finden

Aus der Perspektive des Rechts

Forschung an und für seltene Krankheiten – komplexe rechtliche Fragestellungen

Ein Beitrag von Prof. Dr. Dr. Christian Dierks

Prof. Dr. Dr. Christian Dierks ist Fachanwalt für Sozialrecht und Medizinrecht, Facharzt für Allgemeinmedizin und Professor für Gesundheitssystemforschung an der Charité Berlin. In dem change4RARE-Beitrag erörtert er aus seinem juristischen Blickwinkel das Thema „RESEARCH – vom Suchen und Finden“ bei seltenen Krankheiten. Christian Dierks rückt in diesem Kontext die Forschungsförderung der Arzneimittel für seltene Leiden sowie die Herausforderung geeigneter klinischer Prüf- und Zulassungsverfahren bei Orphan Drugs in den Fokus. Er kommt zu folgender Schlussfolgerung:

„Nicht die Transformation und nicht die Digitalisierung, auch nicht die Innovation selbst sind das Ziel, sondern die Verbesserung der Versorgungsqualität. Das ist unser Anliegen und das liegt uns bei den Patienten mit den seltenen Krankheiten besonders am Herzen, weil sie besonders schwierig zu diagnostizieren sind, noch schwieriger zu behandeln, und das Gesundheitssystem für sie keine bewährten Versorgungswege, keine DMP und keine Lotse Programme bietet. Daran wollen wir gemeinsam arbeiten.

Herr Prof. Dr. Dr. Dierks gibt uns in diesem Interview einen umfassenden Einblick in die derzeit geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Erforschung seltener Erkrankungen und Orphan Drugs. Auch stellt er die Herausforderungen der Gestaltung klinischer Prüfverfahren im Kontext individualisierter Therapeutika und mögliche Entwicklungen hinsichtlich künftiger Zulassungsverfahren heraus.

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Kernbotschaften

aus dem Beitrag von
Prof. Dr. Dr. Christian Dierks

Forschungsförderung durch Privilegierung der Arzneimittel für seltene Leiden

Im Kontext der Forschungsförderung von Arzneimitteln für seltene Leiden fallen während des Zulassungsverfahrens Gebührenerleichterungen an. Zudem wird dem Arzneimittel eine Priorität und ein gewisser Schutz vor Nachahmerpräparaten für eine gewisse Zeit eingeräumt. Liefert ein Nachahmerpräparat jedoch einen signifikanten Mehrnutzen als das bereits zugelassene Medikament, wird dieses Privileg hinfällig.

Beschleunigte Zulassung bereits nach Phase II Studien und die Herausforderungen einer anwendungsbegleitenden Datenerhebung

Liegt ein gewisser „Medical Need“ zugrunde, sind die Zulassungsbehörden wie die EMA oder auch die FDA gewillt, Arzneimittel bereits nach einer klinischen Phase II Studie zuzulassen. Im Rahmen einer anwendungsbegleitenden Datenerhebung sollen dann im Nachgang die noch fehlenden Daten nachgereicht werden. Da diese Daten unter realen Verordnungsbedingungen erhoben werden, fehlt es jedoch an Randomisierung und Verblindung, was eine Identifikation eines signifikanten Zusatznutzens erschwert. Zudem muss ein geeigneter Komparator festgelegt werden, was im Fall der seltenen Erkrankungen häufig eine Best Supportive Care darstellt. Daher stellt sich die Frage, ob der Aufwand der anwendungsbegleitenden Datenerhebung gerechtfertigt ist, wenn die Ergebnisse sich am Ende weder in der Versorgung noch in der Preisbildung umsetzen lassen.

Datengenerierung im Rahmen von in vivo, in vitro und in silico Studien

Neben Studien, die an Menschen (in vivo) oder aber im Labor (in vitro) durchgeführt werden, kommen für die Pharmakogenomik zunehmend in silico Studien zum Einsatz. Hier werden vorhandene Daten, Datenbanken und Datenplattformen mit Programmen ausgewertet. Es werden Datenbestände auf spezifische Muster hin untersucht und Algorithmen verwendet, die Aufschluss darüber geben, ob bestimmte Arzneimittel bei Erkrankungen positive Effekte zeigen. So können bspw. neue Indikationen für bereits bekannte Substanzen identifiziert oder aber notwendige Modifikationen spezieller Arzneimittel ausgemacht werden. Für diese Form der Forschung ist der rechtliche Rahmen gegenwärtig noch klärungsbedürftig.

Präzisionsmedizin bei seltenen Erkrankungen

Anhand der Klassifizierung der Pharmakogenetik oder anderer Biomarker kann die Eignung der Patienten für bestimmte Therapeutika festgestellt werden. Doch wie sieht eine klinische Prüfung solcher Arzneimittel aus, wenn die Studienpopulation n=1 ist? Welches Zulassungsverfahren kann hier angewendet werden? Die FDA führt hierzu bereits Pilotprojekte durch. Es wird künftig darum gehen, nicht das Medikament an sich zuzulassen, sondern die Verfahren zur Herstellung individualisierter Therapeutika. Die Patienten werden dann im Real Life fortlaufend beobachtet und die Daten in Registern festgehalten, die jedoch eine Interoperabilität sowie Transparenz erfordern, um die Erkenntnisse an den Einzelnen zurückzuspielen.