SELTENE SIND NICHT SELTEN
change4RARE Lösungskonzept: Datenerhebung
Wieso sind die Definition und Erweiterung der Datenquellen für die Versorgung der Patient:innen mit seltenen Erkrankungen wichtig?
Ein Interview mit Prof. Dr. Sylvia Thun
In Deutschland werden jährlich enorme Mengen an Gesundheitsdaten erhoben, beispielsweise durch stationäre und ambulante Behandlungen, in der Rehabilitation und Pflege sowie zunehmend auch aus digitalen Gesundheitsanwendungen und patienteneigenen Messungen. Diese Daten sind oft weder kompatibel noch miteinander verbunden, und es gibt Bedenken hinsichtlich ihrer Qualität. Damit stehen sie zur Verbesserung der Versorgungsqualität und für die Forschung nur eingeschränkt und oft erst nach erheblichen Vorarbeiten zur Verfügung.
change4RARE schlägt in diesem Kontext die Definition und Erweiterung der Datenquellen vor. Für die erhobenen Daten sollen Voraussetzungen geschaffen werden, unter denen sie in ihrer Gesamtheit als einheitliche Datenquelle nutzbar sind. Dazu sollen Daten und Datenquellen sowie auch Datenstandards und die erforderliche Datenqualität definiert werden. Außerdem gilt es, Mechanismen für Datenverlauf und Datenvollständigkeit festzulegen.
Darüber diskutieren wir mit Prof. Dr. Sylvia Thun. Sie ist Ärztin und Ingenieurin für biomedizinische Technik. Sylvia Thun ist Professorin für Informations- und Kommunikationstechnologie im Gesundheitswesen an der Hochschule Niederrhein und für Digitale Medizin und Interoperabilität am Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIH) an der Charité.
„Wichtig ist, dass die Patient:innen mit seltenen Krankheiten sichtbar werden.“
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Kernbotschaften
aus dem Interview mit
Prof. Dr. Sylvia Thun
Unvollständige Datenerfassung bei seltenen Erkrankungen
Patient:innen mit seltenen Erkrankungen müssen sichtbar werden. Es gibt jedoch Lücken in der Datenerfassung, bspw. erfasst die ICD-10-Klassifikation nicht alle seltenen Erkrankungen, und viele relevante Daten werden innerhalb des Gesundheitssystems nicht weitergegeben.
Förderung geeigneter Terminologien für seltene Krankheiten
Ohne geeignete Terminologien ist es herausfordernd, seltene Krankheiten zu diagnostizieren. Die Anwendung von Terminologien für Symptomanalysen, wie Human Phenotype Ontology (HPO), oder für seltene Erkrankungen, wie Orphanet, sollte im deutschen Gesundheitswesen gefördert werden.
FAIR-Prinizpien bei Daten im Gesundheitswesen
Daten sollten den FAIR-Prinzipien entsprechen: Findable (auffindbar), Accessible (zugänglich), Interoperable (interoperabel) und Reusable (wiederverwendbar).
Der Europäische Gesundheitsdatenraum als Hoffnungsträger
Daten müssen auf Datenplattformen und für Forschende zugänglich gemacht werden. Der Europäische Gesundheitsdatenraum (EHDS) stellt hier einen vielversprechenden Ansatz in Europa dar.
Nutzen einer optimierten Datenerfassung
Eine optimierte Datenerfassung fördert frühzeitige Diagnosen und erweitert Forschungsmöglichkeiten. Daten können den Weg für innovative Therapieansätze ebnen und die Durchführung klinischer Studien unterstützen.
Notwendige Verbesserungen in der Dokumentation und Übermittlung
Die Telematikinfrastruktur sollte für den Versand sicherer und strukturierter Daten optimiert werden, anstelle von reinem Freitext oder nicht auslesbaren PDF-Dokumenten. Es ist wichtig, dass auch die Ärzteschaft internationale Vorgaben in diesem Bereich unterstützt und in der Behandlungsdokumentation bedient.