RESEARCH – vom Suchen und Finden

Aus der Perspektive der Forschungsverbünde

Eine wichtige Rolle bei Verbünden spielen die Patientenregister – wir brauchen eine ausreichend große kritische Zahl an Patientendaten, um Fortschritte zu erzielen

Ein Beitrag von Prof. Dr. Thomas Klopstock

Professor Dr. Thomas Klopstock ist Facharzt für Neurologie und Oberarzt am Friedrich-Baur-Institut an der Neurologischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität in München, eines der weltweit führenden Zentren im Bereich neuromuskulärer und neurogenetischer Erkrankungen. Er ist Mitglied des Leitungsgremiums am Münchner Zentrum für seltene Erkrankungen des LMU Klinikums (MZSELMU), Studienleiter am Standort München für die DZNE-Netzwerke zu hereditären spastischen Spinalparalysen (HSP) und hereditären Ataxien sowie Sprecher des internationalen Netzwerkprojekts Treat Iron-Related Childhood-Onset Neurodegeneration (TIRCON) zur Krankheitsgruppe „Neurodegeneration with Brain Iron Accumulation“ (NBIA).

„In unserer klinischen Forschung erfassen wir den natürlichen Verlauf, die Natural History, seltener Erkrankungen. Diese Erkenntnisse sind von großem Wert bei der Planung und beim Design von Therapiestudien“

Zusammen mit anderen Mitochondrien-Expertinnen und -Experten gründete Thomas Klopstock das Deutsche Netzwerk für mitochondriale Erkrankungen (mitoNET, www.mitoNET.org), dessen Sprecher er seit 2009 ist und das seitdem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. Professor Klopstock verfolgt mit seiner Arbeitsgruppe und seinen Kooperationspartnern einen translationalen Forschungsansatz. Dabei konzentriert er sich auf die Identifikation neuer Krankheitsgene, das Verständnis der Pathomechanismen und die Untersuchungen von Patientenkohorten im Querschnitt (Register) und im Längsschnitt („Natural History“). Professor Klopstock gibt Aufschluss darüber, welche Besonderheiten sich aus der „Seltenheit“ bestimmter Krankheiten für die Forschung und besonders für die Translation ergeben. Sein wissenschaftliches Hauptziel ist es, Beiträge zur Verbesserung von Diagnostik, Therapie und Versorgung neurogenetischer Erkrankungen, insbesondere der mitochondrialen Erkrankungen, zu leisten.

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Kernbotschaften

aus dem Beitrag von
Prof. Dr. Thomas Klopstock

Exomsequenzierung als Erfolgsfaktoren für eine Verbesserung der Diagnostik

Durch Exomsequenzierungen können neue krankheitsauslösende Gene identifiziert werden, wodurch die Diagnostik verbessert werden kann. Allein in den letzten Jahren waren es mehr als 50 neue Gene für mitochondriale Erkrankungen. Neben dem verantwortlichen Gendefekt kann auch aus dem Verständnis des Pathomechanismus heraus unter Umständen eine unmittelbare Therapiekonsequenz abgeleitet werden. Vermehrt werden aufgrund der sinkenden molekularpathologischen Kosten das Exom anstelle einzelner DNA-Mutationen untersucht, wodurch sich die Diagnostik weiter verbessert.

Ausreichend große Zahl an Patientendaten anhand von Patientenregistern

Patientenregister spielen im Zusammenhang mit Forschungsverbünden eine wesentliche Rolle. Da einzelne nationale Studien aufgrund der geringen Anzahl der Studienteilnehmer nur eine begrenzte Aussagekraft besitzen, kommt den Patientenregistern eine enorme Bedeutung zu. Anhand großer Zahlen können trotz der Heterogenität einzelner Erkrankungen Muster erkannt werden, die die Forschung erleichtern. Implementierte Natural-History-Studien, die Follow-ups berücksichtigen, ermöglichen zudem die Abbildung des natürlichen Krankheitsverlaufes.

Unsichere Finanzierungssituation von Forschungsverbünden

Das Bundesministerium unterstützt Verbünde jeweils in Drei-Jahres-Rhythmen, wobei die Förderungshöchstdauer bei neun Jahren liegt. Aufgabenbereiche, wie beispielsweise Register, benötigen jedoch eine Verstetigung, die nach Auslaufen der BMBF-Förderung ausbleibt. Die “Research for Rare”-Koordinierungsstelle unterstützt die Verbünde bei Querschnittsthemen aber auch hinsichtlich des Aufbaus und Betriebs von Registern.

Mehrwert durch Einbindung von Patienten und -vertretern in die translationale Forschung

Die Einbindung von Patienten und Patientenvertretern in die translationale Forschung ermöglicht die Berücksichtigung relevanter Faktoren in die Planung von Registern sowie Verlaufs- und Therapiestudien. Hierunter zählen beispielsweise für den Patienten besonders belastende bzw. lebensqualitätseinschränkende Aspekte der Erkrankung. Diese können dann als Endpunkte in entsprechenden Registern oder Studien berücksichtigt werden. Zudem können Patientenvertretungen bei der Rekrutierung von Studienteilnehmern eine unterstützende Rolle einnehmen.

Klinische Studien sowie der Technologietransfer als Herausforderungen der translationalen Forschung

Zwei große Herausforderungen in der translationalen Forschung in Deutschland sind die Planung und Umsetzung klinischer Studien und der Technologietransfer in kommerziell erfolgreiche Produkte. Derzeit werden in Deutschland in der Grundlagenforschung und in der klinischen Forschung vielversprechende Therapieoptionen entwickelt, oft aber danach aufgrund mangelnder Finanzierung und aufgrund der überbordenden bürokratischen Hemmnisse nicht in akademischen Studien, den sogenannten Investigator Initiated Trials, weiter untersucht. Diese Herausforderungen gilt es in den nächsten Jahren zu lösen.