DATA – gläserner Patient oder endlich Durchblick?

Aus der Perspektive der IT- und Datensicherheit

Seltene Krankheiten –
schwierige Kommunikation

Ein Interview mit Prof. Dr. Sylvia Thun

Prof. Dr. Sylvia Thun ist approbierte Ärztin und Ingenieurin für biomedizinische Technik. Sie lehrt seit 2011 als Professorin für Informations- und Kommunikationstechnologie im Gesundheitswesen an der Hochschule Niederrhein; seit 2018 ist sie Gastprofessorin an der Charité und Direktorin für E-Health und Interoperabilität am Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIH). Sie forscht zu Themen wie der elektronischen Gesundheitsakte oder dem elektronischen Rezept und gilt als Expertin für nationale und internationale IT-Standards im Gesundheitswesen. Sylvia Thun klärt im Interview darüber auf, wie die Interoperabilität dazu beitragen kann, die Versorgungssituation von Patienten mit seltenen Krankheiten zu verbessern. Ihre Beobachtung:

„In der Corona Pandemie sind wir nicht nur digitaler, sondern auch kooperativer geworden. Wir haben gemerkt, dass wir als deutsche Wissenschaftler nur relevant bleiben, wenn wir zusammen und mit guten Daten arbeiten.“

Patienten mit seltenen Krankheiten durchlaufen oft eine Odyssee durch das Gesundheitssystem, bis sie die richtige Diagnose erhalten. Zahlreiche Datensätze werden in diesem Kontext erzeugt, die in unterschiedlichen Silos lagern und nur schwierig zusammengeführt werden können. Eine der großen Hürden ist die fehlende Interoperabilität der Datenverarbeitung bei den unterschiedlichen Leistungserbringern. Die Expertin hat sich immer wieder dafür eingesetzt, diese Interoperabilität herzustellen.

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Kernbotschaften

aus dem Interview mit
Prof. Dr. Sylvia Thun

Waisen-Daten

Orphan Diseases führen auch in der Datenwelt ein Waisendasein. Für die meisten seltenen Krankheiten gibt es keine ICD-Codes. Das bedeutet, die Krankheit hat keinen Namen, kann nicht erfasst werden, Ergebnisse können nicht dokumentiert oder adäquat analysiert und weltweit zusammengeführt werden. Dies müssen wir ändern, damit wir mit medizinischen Daten ergebnisorientiert forschen können.

Interoperabilität und Auswertbarkeit

Es ist nicht ausreichend, Datensätze zu verbinden und die Möglichkeit einer Beforschung zu schaffen, wir müssen auch sicherstellen, dass die Datensätze so aufbereitet werden, dass sie in einem austauschbaren Format vorliegen und damit interoperabel auswertbar sind. Dies wird mit der elektronischen Patientenakte 2.0 möglich sein. Hier ist dann auch die Orphanet-Terminologie vorgesehen, die mehr als 6.000 seltene Krankheiten mit einer Suchbarkeit und Auswertbarkeit versieht.

Förderung von Früherkennung und Weiterbildung

Um die Versorgung von Patienten mit seltenen Krankheiten zu verbessern, sollte das Screening von Kindern zur Erfassung und Untersuchung von genetischen Erkrankungen und Symptomen vermehrt eingesetzt werden. Es ist wichtig, Zentren für seltene Krankheiten zu fördern und Ärzte weiterzubilden, um seltene Krankheiten auch ohne Screening schneller zu diagnostizieren. Auch Apps können über die Eingabe von Eigenanamnese mit Zugriff auf ein Wissensnetzwerk dabei helfen, Hinweise auf Krankheiten zu finden.

Ethische Diskussion

Mit dem aus der Datenforschung gewonnenen neuen Wissen müssen wir mit Bedacht umgehen. Deswegen braucht es eine ethische Debatte über die Frage, wie die Erkenntnisse mit dem Patienten geteilt werden, wer für diese Kommunikation zuständig ist und welche diagnostischen und therapeutischen Konsequenzen sich daraus ergeben.