ACCESS – ökonomische Grenzen und Gerechtigkeit

Aus der Perspektive der Kassenärztlichen Vereinigung

Wirtschaftlichkeitsprüfung – Geißel oder Privilegierung für Orphans?

Ein Interview mit Johann Fischaleck

Johann Fischaleck war 20 Jahre bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, zuletzt als Leiter des Arzneimittelmanagements, tätig. In dem change4RARE-Interview mit ihm beleuchten wir das Thema ACCESS – ökonomischen Grenzen und Gerechtigkeit bei der Versorgung von Patienten mit seltenen Krankheiten aus der Perspektive der Kassenärztlichen Vereinigung.

„Sichere Indikationsstellung und gute Dokumentation sichern die Verordnungen der Arzneimittel für seltene Krankheiten ab.“

Dieses Zitat von Johann Fischaleck unterstreicht die souveräne Entscheidungskompetenz des Vertragsarztes für oder gegen die Verordnung eines Arzneimittels. Diese kann und darf nicht von der Genehmigung der Krankenkasse abhängig gemacht werden. Deshalb liegt die Entscheidung auch in der Verantwortung des Arztes, mit der Konsequenz, dass sie einer rückwirkenden Kontrolle bedarf, um wirtschaftlichen Schaden durch ungerechtfertigte oder übermäßige Verordnungen zu vermeiden. Für diese Wirtschaftlichkeitsprüfung gelten komplexe und je nach KV-Bezirk unterschiedliche Regelungen der Prüfvereinbarungen. Allen gemeinsam ist, dass bei Übereinstimmung von Diagnose und zugelassener Indikation ein Regress nur dann in Betracht kommt, wenn eine Verordnung medizinisch nicht indiziert ist oder es eine für den einzelnen Patienten therapeutisch gleichwertige Alternative gibt.

Durch die in den vergangenen Jahren erfolgte schrittweise Umstellung dieser Prüfverfahren auf wirkstoffbezogene Zielerreichungsvorgaben, ergeben sich therapeutische Privilegien auch für hochpreisige Arzneimittel, sofern diese indikationsgerecht eingesetzt werden und die Anwendung ausreichend dokumentiert ist.

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Kernbotschaften

aus dem Interview mit
Johann Fischaleck

Grenzen der Wirtschaftlichkeitsprüfung

Wirtschaftlichkeitsprüfverfahren spielen heute eine andere, untergeordnete Rolle, denn die statistischen Verfahren nach Kosten erfassen den breiten Korridor des Preisspektrums nicht mehr. Die Kosten für Orphan Drugs können darin nicht berücksichtigt werden. In keiner KV sind die Kosten der Orphans daher in den Richtgrößen abgebildet, sie werden herausgerechnet.

Prüfverfahren

Statistisch kann das System nur innerhalb definierter Preiskorridore prüfen. In den Prüfgremien sind Orphan Drugs deshalb auch nur selten ein Thema und in den meisten Kassenärztlichen Vereinigungen wird aufgrund einer Wirkstoffvereinbarung ohnehin nicht mehr nach Kosten geprüft.

Einzelfallprüfungen

Einzelfallprüfungen müssen von den antragstellenden Kassen dezidiert begründet werden. Sie setzen an bei unklaren Mengenausweitungen oder unklaren Indikationen oder Verordnungen, die beispielsweise im Widerspruch zu den Einschlusskriterien der Zulassungsstudie stehen.

Verantwortung des Arztes

Der Arzt ist für die Übereinstimmung der Indikation mit der Zulassung des Medikaments verantwortlich. Bei Orphans ist dies meist nur ein Medikament, aber es kommt auf die Wirtschaftlichkeit im Einzelfall an, auf Komorbiditäten oder Interaktionen mit anderen Therapien bei multimorbiden Patienten. In der einzelnen Verordnung müssen daher auch bei Orphan Drugs Kontraindikationen und Einschränkungen des Labels beachtet werden.