RESEARCH – vom Suchen und Finden

Aus der Perspektive die klinische Forschung & Register

Mit System und Vernetzung zur schnelleren Diagnose

Ein Interview mit Prof. Dr. Thomas O.F. Wagner

Der Experte Prof. Dr. Thomas Wagner ist Internist und Pneumologe und führt die Zusatzbezeichnung Allergologie. Bis 2017 war er Leiter der Pneumologie und Allergologie des Universitätsklinikums Frankfurt. Aktuell leitet er in der Uniklinik das Frankfurter Referenzzentrum für Seltene Erkrankungen und koordiniert das Europäische Referenznetzwerk für Seltene Lungenerkrankungen. Außerdem führt er seit 2016 eine lungenärztliche Privatpraxis in Kronberg, wodurch er jeden Tag mit betroffenen Patienten im Austausch steht.

„Mit einer systematischen Recherche zu Symptomkonstellationen und der systematischen Aufarbeitung aller möglichen Diagnosen finden wir viel mehr, als wenn wir uns nur auf unser aktives Wissen verlassen.“

In seinem Seminar Sehen, was andere nicht sehen, zeigt er den Studenten auf, dass Unvoreingenommenheit und eine systematische Herangehensweise große Stärken in der erfolgreichen Diagnose seltener Krankheiten sind. Wenn die Nutzung von Symptomdatenbanken und anderen elektronischen Medien normal wird, können wir die Zeit bis zur richtigen Diagnose für Patienten mit seltenen Krankheiten verkürzen.

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Kernbotschaften

aus dem Interview mit
Prof. Dr. Thomas O.F. Wagner

Mit System und Unvoreingenommenheit zur richtigen Diagnose

Die Unvoreingenommenheit der Studierenden ist wahrscheinlich das wichtigste Werkzeug, weil sie völlig offen an die Patienten herangehen, ohne eine vorgefasste Meinung zu haben. Im Finden von Diagnosen hat das systematische und methodisch sorgfältige Arbeiten eine höhere Trefferquote als die Nutzung unseres aktiven Wissens und unserer Erfahrungswerte.

Große Chancen für den Einsatz von künstlicher Intelligenz

Es liegt großes Potenzial in der computergestützten Mustererkennung in Patientendokumentationen, um Symptomkonstellationen automatisch zu erkennen und daraufhin relevante Diagnosevorschläge zu liefern. Heute nutzen wir digitale Datenbanken noch manuell. Zukünftig könnte uns eine KI mit automatisch erstellten Vorschlagslisten unterstützen. Wir arbeiten aktuell daran die notwendigen Daten für dieses Vorhaben zu sammeln.

Schuldfragen und Frust belasten die Arzt-Patienten-Beziehung

Es ist wichtig zu verinnerlichen, dass es nicht der Unwille oder die Schuld des Patienten ist, wenn sich eine Diagnose schwierig gestaltet. Anstatt dessen sollte man als Arzt konstruktiv mit der Komplexität umgehen und das Problem mit den verfügbaren Hilfsmitteln angehen.

Die Vorteile der dualen Lotsenstruktur

Wenn sich alle Spezialisten schwertun eine organische Diagnose zu stellen, können wir es auch mit einer Somatisierungsstörung zu tun haben. Die psychosomatischen Ursachen für die Beschwerden kann nur ein Psychosomatiker richtig erkennen und diagnostizieren. Deswegen ist es sinnvoll in Anbetracht einer schwierigen Diagnose in einer dualen Lotsenstruktur zu arbeiten, nämlich den Organmediziner und den Psychosomatiker gleichzeitig zu konsultieren.

Interdisziplinarität ist auch in der Forschung gefragt

Die meisten seltenen Erkrankungen sind genetisch bedingt und genetische Erkrankungen sind oft Multiorganerkrankungen. Das bedeutet, dass wir auch in der Forschung multiprofessionelle Teams benötigen. Damit einher geht die Erkenntnis, dass man Erfolge nicht nur an objektiven Messgrößen der Fachbereiche messen kann. Das Ziel sollte sein die umfassende Lebensqualität der Patienten zu verbessern, und nicht nur die Lungenfunktion beispielsweise.

Besserer Zugang über bessere Vernetzung

Um die Versorgung für Patienten mit seltenen Erkrankungen zu verbessern, sollten wir vor Allem die Schnittstellen zwischen den Spezialisten, den Patienten und den Hausärzten intensivieren. Es geht darum, die schwierigen Fälle nicht jahrelang zu vertrösten, sondern zügig die nächsten Schritte zur Lösungsfindung einleiten zu können.