DATA – gläserner Patient oder endlich Durchblick?

Aus der Perspektive der medizinischen Wissenschaft

Wenn wir mit den vorhandenen Daten forschen würden, könnten wir viel weiter sein!

Ein Interview mit Prof. Dr. Christof von Kalle

Prof. Dr. Christof von Kalle ist Onkologe, Hochschullehrer und Unternehmer. Er ist Vorsitzender des Direktoriums für Klinisch-Translationale Wissenschaften am Berlin Institut für Gesundheitsforschung (BIH) an der Charité – Universitätsmedizin Berlin sowie Gründungsdirektor des Clinical Study Center. Der Experte Christof von Kalle erläutert, wie wir mit einer intelligenten Auswertung bereits vorhandener Daten wesentlich weiter in der Diagnostik und auch in der Erforschung therapeutischer Optionen sein könnten.

„Eine konsequente Datenanalyse bedeutet einen Durchbruch für Prävention und Prädiktion.“

In den Datensilos des deutschen Gesundheitswesens lagern Millionen von Datensätzen, aus denen sich mit intelligenten Programmen sehr schnell Erkenntnisse ableiten ließen, die zu einer Verdachtsdiagnose bei seltenen Erkrankungen führen können. Diese Zusammenhänge zu erkennen, fällt digitalisierten Programmen wesentlich leichter als dem behandelnden Arzt, der immer nur kleine Ausschnitte aus dem Gesamtbild eines Patienten sieht.

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Kernbotschaften

aus dem Interview mit
Prof. Dr. Christof von Kalle

Daten als Unterstützung

Die Komplexität und die Menge der Daten in Bezug auf den einzelnen Behandlungsfall haben stark zugenommen. Gerade bei seltenen Erkrankungen sind diese Daten als Unterstützung der Therapie und als Chance für die Forschung zu sehen: Durch bessere Diagnostik, Untersuchungen und Verarbeitung der Informationen sowie Datenverarbeitungsmethoden könnte die Odyssee der Patienten bis zur korrekten Diagnose von aktuell durchschnittlich 7 Jahren deutlich verkürzt werden.

Analyse von historischen Daten

In Deutschland liegen Gesundheitsdaten häufig nicht digital lesbar vor und sind zudem in der Regel unter Verschluss. Daher haben wir noch einen langen Weg vor uns, bis wir historische Daten überhaupt verwenden und sinnvoll analysieren können.

Verhältnismäßigkeit bürokratischer Anforderungen

Grundsätzlich ist es sinnvoll, durch behördliche Aufsicht eine ordnungsgemäße Datenverwendung sicherzustellen. Jedoch muss hierbei auch die Verhältnismäßigkeit beachtet werden: Der bürokratische Aufwand ist bei der rückblickenden Auswertung von Behandlungseffekten sehr hoch und langwierig. Es sollte bei retrospektiven und Beobachtungsstudien ohne interventionelles Risiko für den Patienten abgewogen werden, wann eine Anmeldung als Arzneimittelstudie durch zu hohe regulatorische Anforderungen der Forschung im Weg steht und wann dieser Aufwand für das Patientenwohl zielführend ist.

Der Weg zur Präventivmedizin

Ideal wäre es, für jeden Patienten einen genomischen Datensatz zu erzeugen, der kontinuierlich und online mit neuen Erkenntnissen über die Zusammenhänge zwischen den genetischen Eigenschaften des Patienten, seiner Erkrankung und der Wirkungsweise neuer therapeutischen Optionen angereichert wird. Auch durch präventive Ansprache könnte der Patient im Idealfall selbst in die Lage versetzt werden, durch eigene Handlungen Krankheiten zu vermeiden. Dann könnten wir von der Reparaturmedizin übergehen zur Präventivmedizin.