DATA – gläserner Patient oder endlich Durchblick?
Aus der Perspektive der Krankenkasse
Digitalisierte Gesundheitsanwendungen als gemeinsames Forschungspotenzial
Ein Interview mit Dr. Ursula Marschall
Dr. med. Ursula Marschall ist Fachärztin für Anästhesie und Dipl.-Gesundheitsökonomin. Seit 2007 ist sie die leitende Medizinerin der BARMER und leitet den Forschungsbereich Medizin und Versorgungsforschung im BARMER Institut für Gesundheitssystemforschung. Die Expertin Ursula Marschall sieht klaren Handlungsbedarf:
„Durch Kooperationen, strukturierten Austausch und Vernetzung der unterschiedlichen Player kann bislang ungenutztes Datenpotenzial mit dem Ziel der Verbesserung der Versorgung erschlossen werden.“
Krankenkassen haben in Deutschland in den vergangenen Jahren einen erheblichen Rollenwechsel erfahren. Sie bewegen sich langsam vom Bezahler zum Gestalter (payer to player). Mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz entstand für Krankenkassen die Möglichkeit, gemeinsam mit privatwirtschaftlichen Unternehmen innovative Produkte oder Versorgungsformen zu entwickeln, bei denen sie die erhobenen Daten des Projekts für die Forschung nutzen dürfen. Weitere Aufgaben ergeben sich aus den Möglichkeiten der Nutzung von Abrechnungs- und Versorgungsdaten. Die Expertin gibt Einblicke in diese neuen Möglichkeiten, deren Einsatz für Patienten mit seltenen Krankheiten und notwendige Weiterentwicklungen des Systems.
Kernbotschaften
aus dem Interview mit
Dr. Ursula Marschall
Vernetzung von Krankenkassen
Die Krankenkassen können durch die Digitalisierung eine neue Rolle im Gesundheitswesen einnehmen, insbesondere indem sie sich an innovativen Projekten beteiligen. Dies muss jedoch gemeinschaftlich mit anderen Playern passieren: Vernetzte Strukturen ermöglichen, dass die Player nicht nur voneinander wissen, sondern auch gemeinsam die Versorgung verbessern.
Datenaustausch und -Verknüpfung
Es gibt viele Register, jedoch zu wenige Verbindungen zwischen den Daten, wie z. B. Abrechnungsdaten der Krankenkassen und Registerdaten. Beim Aufbau neuer Register muss von vornherein bedacht werden, dass diese mit anderen Datenbeständen zusammengeführt werden können. In der Praxis sind dieser Datenaustausch und die -Verknüpfung vorhandener Daten wegen datenschutzrechtlicher Beschränkungen nicht immer möglich.
Datenschatz: Abrechnungsdaten
Der Datenschatz der Abrechnungsdaten der Krankenkassen sollte für die versichertenbezogene und auch andere Forschung genutzt werden. Allerdings werden medizinische Algorithmen die erlösorientierte Codierung der Abrechnungsdaten nicht immer zu aussagekräftigen Erkenntnissen bezüglich der Versorgung führen. Deren Interpretation sollte daher diesen Bias berücksichtigen und zusätzlich in einem Team von Spezialisten differenziert werden.
Diese Perspektiven könnten auch interessant sein:
-
PATIENT – Selbstbestimmung versus Fremdbestimmung: Aus der Perspektive des Rechts
Passt das Gesundheitssystem noch zu den Anforderungen an die Behandlungen seltener Krankheiten?
-
CARE – zwischen Anspruch und Realität: Aus der Perspektive der medizinischen Wissenschaft
Mit einer intelligenten Auswertung bereits vorhandener Daten könnten wir wesentlich weiter in der Diagnostik, im Monitoring und in der Erforschung therapeutischer Optionen sein
-
DATA – gläserner Patient oder endlich Durchblick? Aus der Perspektive der IT- und Datensicherheit
Seltene Krankheiten – schwierige Kommunikation
-
PATIENT – Selbstbestimmung versus Fremdbestimmung: Aus der Perspektive der Patientenvertretung
Wie aus passiver Betroffenheit aktive Selbstbestimmung wird