ACCESS – ökonomische Grenzen und Gerechtigkeit

Aus der Perspektive der Krankenkasse

Arzneimittelkosten in einem solidarisch finanzierten Gesundheitssystem

Ein Interview mit Tim Steimle

Tim Steimle ist Apotheker und seit 2010 Leiter des Fachbereichs Arzneimittel der Techniker Krankenkasse in Hamburg. Seine Schwerpunkte: Innovationen, Adhärenz, Kostenentwicklung, Arzneimitteltherapiesicherheit. In unserem change4RARE-Interview beleuchten wir mit ihm das Thema ACCESS – ökonomischen Grenzen und Gerechtigkeit bei der Versorgung von Patienten mit seltenen Krankheiten aus der Perspektive der Krankenkasse. Sein Kommentar:

„Die Privilegierung der Arzneimittel für seltene Krankheiten ist nicht der richtige Weg – sie sollten genauso geprüft werden wie andere Arzneimittel auch.“

Im deutschen Gesundheitswesen stehen Arzneimittel ab dem ersten Tag der Zulassung für Patienten zur Verfügung. In der sich daran anschließenden Nutzenbewertung prüft das System den Zusatznutzen im Vergleich zu anderen Medikamenten oder Therapieformen. Dies ist bei Arzneimitteln für seltene Krankheiten nur eingeschränkt möglich, weil oftmals keine Vergleichstherapien vorhanden sind. Deshalb hat der Gesetzgeber diese Arzneimittel privilegiert und den Zusatznutzen im Gesetz als gegeben vorausgesetzt. Gleichzeitig führt dies dazu, dass der Hersteller mit nur wenigen Verordnungen die hohen Investitionen refinanzieren kann. Dies ist für das solidarische Versicherungssystem eine Herausforderung.

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Kernbotschaften

aus dem Interview mit
Tim Steimle

Förderung der Medikamentenforschung

Die öffentliche Forschungsförderung hat schon viele positive Effekte erzielt, aber wir müssen insgesamt noch besser werden, um Medikamentenforschung zu befördern und nutzenbringende Therapien auch für seltene Krankheiten zu erreichen.

Privilegierung der Orphan Drugs

Die Privilegierung der Arzneimittel für seltene Krankheiten ist nicht der richtige Weg – sie sollten genauso geprüft werden wie andere Arzneimittel auch.

Gesamtwirtschaftlichkeit

Der Arzt muss die Gesamtwirtschaftlichkeit betrachten und im Einzelfall über eine Verordnung entscheiden. Dazu gehört auch die Berücksichtigung anderer therapeutischer Maßnahmen, die eingesetzt werden können.

Modell: dynamischer Evidenzpreis

Der Konflikt zwischen Forschungskosten und gesamtgesellschaftlicher Belastung muss durch eine faire Preisbildung gelöst werden. Hierzu hat die TK das Modell des dynamischen Evidenzpreises entwickelt. Dieses Modell ist ein ergänzendes System zum AMNOG-Verfahren und erzeugt strukturiertes Wissen über die Arzneimitteltherapie und umfasst mehrjährige Register über die Therapiedaten und deren Auswertung zur Preisbildung. Darüber hinaus ist es wichtig, Lösungen zu finden, objektivierbare Kriterien bei der Preisfindung einzubeziehen.