ACCESS – ökonomische Grenzen und Gerechtigkeit

Aus der Perspektive der Ethik

Kosten und Gerechtigkeit: ethische Grundsätze für die Verordnung eines Arzneimittels für seltene Krankheiten

Ein Interview mit Prof. Dr. Giovanni Maio

Prof. Dr. Giovanni Maio ist Philosoph, Internist und Inhaber des Lehrstuhls für Medizinethik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Er ist Mitglied des Ausschusses für ethische und juristische Grundsatzfragen der Bundesärztekammer und hat sich in zahlreichen Publikationen mit ethischen Grundfragen des ärztlichen Handelns und des medizintechnischen Fortschritts auseinandergesetzt. Der Experte Prof. Giovanni Maio geht im Dialog der Frage nach, wie die Allokation von Ressourcen gerecht gestaltet werden kann, ob es grundlegende Prinzipien für die Bewertung von Arzneimitteln gibt und welche ethischen Grundsätze für die Verordnung eines Arzneimittels für seltene Krankheiten angelegt werden müssen. Prof. Giovanni Maio vertritt den klaren Standpunkt:

„Allein der hohe Preis rechtfertigt nicht ein Vorenthalten notwendiger Medikamente.“

Verteilungsgerechtigkeit ist eines der großen ethischen Themen. Insbesondere in einem Versicherungssystem mit begrenzten Ressourcen. Wem ist zu geben? Demjenigen, der die größte Not hat? Demjenigen, der die meisten Beiträge eingezahlt hat? Demjenigen, der der Gesellschaft den größten Nutzen bringt oder allen nach gleichen Teilen? Hierzu gibt es unterschiedliche und auch jeweils begründbare ethische Ansätze.

Vimeo

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Vimeo.
Mehr erfahren

Video laden

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Spotify zu laden.

Inhalt laden

Kernbotschaften

aus dem Interview mit
Prof. Dr. Giovanni Maio

Verteilung der Leistung

Die Erbringung der Leistung der GKV bemisst sich nach der Notwendigkeit. Die Verteilung ist dabei nach drei Prinzipien auszurichten: ausreichende Behandlung, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit.

Keine Verschwendung im Sinne der Wirtschaftlichkeit bedeutet nicht, eine notwendige Behandlung zu unterlassen, sondern bedeutet, dass für denselben Therapieeffekt die günstigere Variante gewählt werden muss.

Grenzen für Therapien

Es darf nicht dazu kommen, dass die notwendige Therapie aufgrund des Preises nicht verordnet wird. Der Kostenaspekt muss über die Preispolitik im Vorfeld geregelt werden, jedoch ohne dabei den Anreiz für Forschung und Entwicklung durch zu geringe Arzneimittelpreise zu minimieren.

Verteilungsgerechtigkeit

Der Staat hat als Sozialstaat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass bestimmte Patientengruppen nicht vernachlässigt oder schlechter gestellt werden. Man muss für Volkskrankheiten genauso aufkommen wie für seltene Krankheiten. Hierfür müssen Strukturen und Anreize geschaffen werden, sodass eine Chancengleichheit für alle Kranken hergestellt wird, am Fortschritt der Medikamentenentwicklung zu partizipieren.

Verordnungsentscheidung

Es muss eine demokratische, politische Lösung über die Strukturen des Systems entwickelt werden, welche den Arzt nicht vor eine Allokationsentscheidung im Einzelfall stellt. Der Arzt muss die Freiheit besitzen, auch teure Medikamente zu verschreiben – mit der Voraussetzung, dass diese notwendig und wirksam sind. Dies ist auch eine wichtige Voraussetzung für das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient.